MDM-Bergsommer-Spezial 2019
5. Juli bis 21. Juli 2019, 277 Kilometer +13550 Höhenmeter in 17 Tagen
Teil 3: Eiger Ultra Trail E101 und der Schwarzwaldbecher-Cup MDM 103
Der dritte SBC wurde traditionell mit Vorlauf im Berner Oberland veranstaltet. Ein Wochenende mit 143 Kilometern und 7000 Höhenmetern ist selbst für die Südsektion ein großer Happen. Und so schickt die leider nur einen Teilnehmer auf beide Läufe.
Zum Trail-Brutal im Berner Oberland, in der nüchternen Kurzform als E101 bekannt, reist gleich eine ganze südbadische Abordnung an: Heidi, Albrecht, Norbert und Ich, Christof. Ramona, Remo und Gerd haben schon einige Urlaubstage zwecks Höhentraining und Akklimatisation in Grindelwald verbracht. Ich bin am Freitagvormittag gleich zu zwei Terminen unterwegs. Eine Schweizer-Togoische Familie in Bern hat mich eingeladen. Wir hatten bisher nur Mailkontakt, der aus dem AGERTO-Projekt in Kpalimé, Togo hervorging. So beginnt mein Tag in der Schweiz mit einem deftigen Bergkäse-Frühstück und dem drei Wochen alten Nukunu-Michael auf dem Arm. Den möchte ich nicht mehr hergeben, aber als er meine Brust sucht, war klar, dass auch er frühstücken möchte. Das kann ich ihm leider nicht bieten. Die zweite Einladung dann auf 11 Uhr von Marcel, dem Boss des Quarz-Clubs in Grindelwald. Zur Startnummernausgabe treffen wir uns in der Eiger Lounge. Immer sehr nett, die QC-Leute wiederzusehen, auch bei massiven Verständnisproblemen wegen meiner schweizer-deutschen Sprachbarriere. Mein Nachtlager richte ich auf dem Parkplatz der Gletscherschlucht ein und laufe von dort nach Grindelwald. Jetzt trudeln so langsam alle ein, und wir hocken noch auf der Terrasse des Eiger-Hotels, als zufällig die Urlauber Ramona und Remo vorbeischlendern. Heidi arbeitet schon in der Halle und kontrolliert das Pflichtgepäck. Mit Gerd beobachte und kommentiere ich den Vorgang sehr aufmerksam, als Albrecht dann an der Reihe ist. Es folgt die obligatorische Pasta-Party im Startgelände. Früh ziehen sich alle zurück, denn der diesjährige Start wird um 4:00 Uhr sein, was ich glücklicherweise noch der Unterhaltung entnehme. Die trockene und sternklare Nacht neben dem Auto an der Gletscherschlucht ist wieder sehr kurz geraten. In den frühen Morgenstunden mit vielen hundert Gleichgesinnten im Startfeld zu stehen, ist auch beim siebten Mal ein bewegender Moment. Mein minimalistisches Höhenmeter-Training bestimmt meine Gedanken. Ich kenne die Anforderungen der Strecke und hoffe, dass es auch heute wieder ein gutes Ende finden wird. Startschuss, Gedränge und dann der lange Stau am Anstieg zur Großen Scheidegg. Eine längeres Gespräch mit Bert vom Quarz-Club verkürzt mir die ersten Kilometer. Albrecht und Gerd sind vermutlich aus der ersten Reihe gestartet. Gerd werde ich erst im Ziel wiedersehen, Albrecht bei Kilometer 25. Kurz vor Sonnenaufgang treffe ich Remo an der Großen Scheidegg. Ein toller Blick nach Osten in Richtung Schwarzwaldalp weckt die Erinnerung an meine beiden Inferno-Triathlon Veranstaltungen. Hier kamen wir 2009 und 2010 mit dem Rennvelo über den Berg, um in Grindelwald aufs MTB umzusteigen. Remo und Ich setzen den Weg gemeinsam fort. An der Station First treffen wir Ramona, die heute als Supporterin ein straffes Tagesprogramm auf sich genommen hat. Bevor es in die Verpflegungsstation rein geht, müssen wir erst runter nach Bort. Fast im freien Fall, was sich in den Oberschenkeln so meldet, wie eine Skiabfahrt auf der Schwarzen Piste vom Schildhorn durchs Kanonenrohr nach Mürren auf der Inferno-Rennstrecke. Zurück an der Station First hat Ramona bereits den Speaker gebrieft und ich bekomme ein Mikrophon in die Hand. Die MDM-Geschichte wird in einige Sätze gerafft und die Story vom Schwarzwaldbecher-Cup am Folgetag kommt auch immer gut bei den Zuschauern an. Aber noch ist es lange nicht soweit, wir sind nicht einmal am Faulhorn. Bei Kilometer 25 ist Albrechts Vorsprung geschmolzen. Ich verliere beide Kollegen aber dort am Versorgungsposten auf der Alp. Dem leckeren Alpkäse gilt meine Konzentration. Später stellt sich raus, dass Albrecht sich in einem Dixi versteckt hatte. So wird es ab hier ein einsames Rennen.
Selten hatten wir so gutes Wetter. Die Windstille verwandelt den Bachalpsee in einen Spiegel der Viertausender-Schönheiten des Berner Oberlandes mit dem Schreckhorn als markanteste Landmarke. Das Faulhorn bietet dann einen Panoramablick auf Interlaken, eingeklemmt zwischen Thuner- und Brienzer See. Leider wird hier kein Wasser nachgefüllt, weil alles mit dem Heli hergebracht werden muss. Das ist angekündigt und so in Ordnung, denken wir doch nur kurz an die abschmelzenden Polkappen. Der Weg zur Schynigen Platte ist ein unruhiger Abschnitt. Hier ist man sehr gut beraten, die Füße immer fünf Millimeter höher zu heben als gewöhnlich. Traditionell sieht man hier die ersten blutigen Knie. Der Downhill zur Halbzeit nach Burglauenen, gleichzeitig tiefster Punkt des Parcours, ist kräftezehrend. Ich bin hier schon viel schlechter gelaufen und freue mich über meine kurzfristige Knie-Wunderheilung. Keines der erwarteten Probleme stellt sich bislang ein. Vieles zum körperlichen Zustand wird im Kopf entschieden. Wer sich dem E101 stellt, darf dabei nicht an seine Sterblichkeit glauben. Es ist eine große Freude, dort unten auf dem Talboden anzukommen. Viele Zuschauer applaudieren. Ich lasse den Reifenwechsel am Boxenstopp aus. Die zwei Tage alten Trail-Schuhe haben sich perfekt bewährt. Auf der gegenüberliegenden Talseite wartet der lange Aufstieg nach Wengen. Für mich ist es die schönere Hälfte des Laufes, die hier ihren Anfang nimmt. Der eng gewundene Waldweg mit den Gefahrenstellen, an denen erstaunlicherweise Posten stationiert sind, gibt dann bald den weiten Blick ins Lauterbrunner Tal frei. Der Staubbach-Wasserfall an der gletschermodellierten Felskante des U-Tals zeichnet den letzten Weg so manchen Basejumpers nach. Nicht wenige der menschlichen Flughunde haben hier im Mekka der Adrenalin-Junkies auf dem Talboden zwischen Stechelberg und Lauterbrunnen ihr Leben verloren. Für uns geht es weniger steil bergab nach Wengen. Dort auch mal wieder Applaus, wenn auch mit der gebotenen schweizerischen Zurückhaltung. Wir haben die 65 Kilometer Marke hinter uns. Jetzt wird es spannend. Die Mauer von Wengen wartet. Die Jungfrau-Marathonies bezeichnen den Höhenmeter-Hopser zwischen Lauterbrunnen und Wengen so, aber die wahre Mauer von Wengen reicht hoch bis zum Männlichen. Im oberen Teil merke ich die fehlenden Trainingseinheiten. Bergauf war ich hier schon frischer unterwegs. Der Empfang von Claudi und Heidi dort oben macht aber wieder Mut. Auch der Nachbar am Buffet holt mich positiv aus meiner selbst verordneten Zeitlosigkeit: „Wir sind auf 17 Stunden Kurs“, glaube ich zwar nicht, das dicke Ende kommt immer noch. Abzusehen ist aber wirklich eine deutliche Reserve auf die 26 Stunden des Cut-Offs. Bergab läuft es gut, zum Lauberhorn hoch wieder zäh. Mit den Kilometern wächst aber auch das Vertrauen. Die letzte Quälerei ist der Aufstieg zur Moräne und zur Station Eigergletscher. Oben grüßt die Kulisse zwischen Schildhorn und den markanten Lobhörnern, die wie ein Import aus den Dolomiten erscheinen. Dann geht es abwärts, vollständig gut gelaunt runter nach Alpiglen. Im späten Sonnenschein ist der trockene Eigertrail unterhalb der Nordwand ein Highlight des E101. Das läuft so gut, dass ich sogar diejenigen wieder einfange, die mich an den Steigungen bemitleidet haben. Alpiglen ist der letzte VP vor dem Marmorbruch und dem finalen Pfingstegg. Hier wechselt der Downhill auf langweilige Schotterpisten, Asphalt und Wiesenpassagen, mental ein schwieriges Stück. Aber es geht ohne Knieprobleme, was an diesem Tag für mich das größte Erfolgserlebnis ist. Abwechslungsreich und in diesem Jahr erstmals ohne Stirnlampe geht es an die letzten Höhenmeter. In Sichtweite unten im Tal die helle Monitorwand im Zielgelände und dazu hört man, abhängig von der Exposition, den Speaker oder das Donnern des Wassers in der Gletscherschlucht. Endlich das Pfingstegg, der Landeanflug auf Grindelwald beginnt. Bald ist der Campingplatz erreicht, „Sitting Ovations“ aus den Gartenstühlen an den Grillstellen. Das motiviert und die Vorfreude aufs Ziel steigt weiter. Eine letzte Steigung hoch zum Hotel Spinne wird befeuert von der Zuschauermenge. An dieser Kurve auf der Dorfstraße fühle ich mich wie ein Lauberhorn-Abfahrtsläufer an der Minsch-Kante der auf die Zuschauertribüne in der Canadien Corner zurast. Die Realität ist schon verzerrt, wenn man stundenlang dort auf dem E101 gekämpft hat. Dann der Zielschuss runter von der Brücke mit dem finalen Sprung über die Ziellinie. Unglaublich, ich sehe eine 17 vorne. Unter 18 Stunden, damit habe ich nie gerechnet. Jubel von Heidi, Claudi und Gerd, der seit einer halben Stunde frierend auf mich wartet. Der Speaker steigt voll auf meinen Hinweis ein, dass ich heute meinen siebten E101 gefinished habe. Vor der Ankunft der nächsten Läufer ergibt sich eine Zeitlücke für einen MDM-Werbeblock, der darin gipfelt, dass der freundliche Mann mir 50 Franken für seinen virtuellen Start beim morgigen Schwarzwaldbecher-Cup und damit für die Kinder in Togo, aushändigt. Die Menge jubelt. Gute Laune beim Duschen in der Eishalle und dem Abbau des MDM-Oversea Werbestandes. Dann gibt es noch ein Finisherbier bis Albrecht glücklich als zweiter seiner AK im Ziel erscheint. Gratulation, Albrecht. Remos Ankunft verpasse ich als Gerd und Claudis Taxifahrer, es ist mir aber eine Ehre, unseren Tagesgewinner und Top-Athleten Gerd mit Supporterin Claudi noch zum Camping Eiger Nord zu bringen. Zurück im Zielbereich hocken wir dann noch zusammen mit Ramona und Remo, der inzwischen eingetroffen ist. Remo hatte heute leider in Burglauenen in zweierlei Hinsicht einen Tiefpunkt erreicht, aber sich dann doch durchgebissen, Chapeau. Später erreicht mich auch die freudige Nachricht, dass Norbert sich mit mehr als 2 Stunden Reserve auf die Cut-Off Zeit durch die regnerische Nacht bis ins Ziel gekämpft hat. Und das auf Füßen, die nicht mehr auf den ersten Blick als solche zu erkennen waren. Zu der Zeit waren Heidi, Albrecht und Ich kurz vor Freiburg, es ist spät geworden in dieser denkwürdigen Nacht.
Eineinhalb Stunden Schlaf, es ist sieben, der Schwarzwaldbecher-Cup ruft. René aus Gesthacht kommt zum Frühstück. Er hat die Nacht im Zug verbracht um mit uns zu laufen. Da haben wir vor dem Lauf schon einen Gewinner in der Kategorie „die weitesten Anreise“. Am Hbf Freiburg treffen wir Claudia, Mario, Hennes und Klaus Stübinger, der sich seinen ersten MDM vorgenommen hat. Er ist ein austrainierter 64er Jahrgang, wurde aber vorgewarnt: Der SBC ist ein Hürdenlauf, bei dem man an den Wirtshäusern nicht vorbei laufen darf. So verbringen wir an diesem sonnigen, warmen Sonntagvormittag in den verschiedensten Lokalitäten unsere Zeit und streuen nur kurze Laufeinheiten ein. (1) Mundenhof - (2) Opfinger See (Geheimtipp: Pizza Margherita) – (3) Grießtalstrausse (kein Geheimtipp, Reisebus) – (4) Tanne in Niederrimsingen – (5) Schwimmbad Ihringen (Bum-Eis mit Kaugummi im Stil und Pommes für Nachwuchsläufer Mario) – (6) Martinshof (schön gelegen) – (7) Ihringer Eisdiele (endlich der namensgebende Schwarzwaldbecher, René traut sich) – (8) Biergarten im Ziel am Breisacher Bahnhof. Dieses Mammutprogramm haben alle bewältigt. Dazu gab es die ersten MDM-Regungen in Richtung auf den geplanten LAVAMAN MDM-Triathlon am Kaiserstuhl. Claudia und Hennes gehen schon am Opfinger Strand zu Wasser. Claudia ist ja eine erfahrene Triathletin. Da bleibe ich mit meinem DLRG-Rettungsschein unterfordert. Aber die Opfinger Baywatch-Kollegen haben ja auch ein Auge aufs Geschehen. Schwieriger wird die Navigation der Truppe. Ich habe als Besenläufer den Track in der Hand, sonst blöderweise niemand. Mit den Kilometern läuft die Gruppe René und mir davon. Ich habe schwere Beine und René ein paar Kilo zuviel. Soll Jeder bei uns laufen so schnell er will, aber sich dann auch eine Karte, einen Kompass, besser ein Navi oder einen Sextant mitbringen. Das war dann auch der einzige Schatten an diesem wunderschönen Tag. Die Einkehrpunkte wurden nicht diskutiert, keine Sinnfragen gestellt, was ich lobenswert finde. Alle haben viel Zeit mitgebracht. Der Weg von den Martinshöfen nach Breisach war ja dann auch unter Führung von Mario kein Problem für die Spitzengruppe. René und Ich erreichten gemütlich das Ziel am Bahnhof in Breisach und waren erstaunt, die MDM-Équipe vollständig entspannt dort vorzufinden. Sie haben den Vorsprung genutzt, um im Rhein noch ein Schwimmtraining durchzuziehen und warteten jetzt frisch gewaschen, quasi wie aus dem Ei gepellt, auf uns. So haben wir alle die Trauer über das ausgefallene Gartenfest bei Torsten überwinden können. Aber auch beim Laufen hast Du uns gefehlt, Torsten. Vielleicht sehen wir uns doch beim Gondo-Event am 10./11. August im Wallis?
Euer Christof